THORSTEN HENNING
Nein sagen – klar, respektvoll, wirksam
Manchmal nickst du, obwohl in dir alles „nein“ sagt. Nicht, weil du nicht weißt, was richtig wäre, sondern weil Gewohnheit, Harmoniebedürfnis oder die Sorge um Reputation lauter sind als deine Prioritäten. Das Ergebnis kennst du: zu viele Zusagen, gestückelte Aufmerksamkeit, sinkende Qualität. Ein gutes „Nein“ ist kein Affront, sondern Führung an der eigenen Grenze. Es schützt Zeit, Energie und Professionalität – und es lässt sich üben.
Im Kern geht es um drei Dinge: Klarheit über Ziel und Nutzen, Bewusstsein für den Preis eines zusätzlichen „Ja“, und die Fähigkeit, Alternativen anzubieten, ohne dich zu verbiegen. Du musst niemanden überzeugen, nur Orientierung geben: Was ist jetzt wirklich wichtig? Was verschiebt sich, wenn ich das übernehme? Welche Lösung bringt uns gemeinsam voran? Wer diese Fragen für sich klärt, spricht ruhig, kurz und respektvoll – auch mit Vorgesetzten.
Der praktische Teil: Starte mit kleinen Situationen, nicht mit dem größten Schlachtfeld. Hol dir zuerst Zeit zum Denken. Ein kurzer Satz reicht: „Ich gebe Ihnen heute bis 15 Uhr Rückmeldung, ich prüfe kurz, was ich dafür verschieben müsste.“ Das ist Kooperation ohne spontane Zusage.
Danach klärst du Ziel und Rahmen: „Was ist das konkrete Ergebnis und bis wann?“ Unklare Wünsche sind die heimlichen Zeitfresser. Sobald das Ziel klar ist, benennst du den Trade-off: „Aktuell arbeite ich an A und B (beide bis Mittwoch). Wenn ich das jetzt übernehme, welches soll ich verschieben?“ So verhandelst du Prioritäten auf Augenhöhe – nicht deine Person.
Für heikle Situationen helfen Satzbausteine, die du dir einmal zurechtlegst und dann wiederholst, bis sie natürlich klingen. Direkt und respektvoll: „Das übernehme ich heute nicht, weil ich sonst die zugesagte Qualität in Projekt X gefährde. Ich kann morgen ab 10:30 einsteigen oder an Y übergeben.“
Für das berüchtigte „Kannst du mal schnell…?“: „Kurz geht, gründlich nicht. Was hat Vorrang: Geschwindigkeit oder Sorgfalt?“ Wenn Druck kommt, bleib bei der Sache: „Ich höre, dass es eilig ist. Ich sichere Termin A wie besprochen, wir ziehen B auf morgen. Passt das?“ Und wenn Ad-hoc-Anfragen zur Regel werden, schaff einen Rahmen: „Damit wir weniger Feuerwehr spielen, lass uns mittwochs 15 Minuten für kurzfristige Bedarfe blocken.“
Jetzt zum Übungsteil – kompakt, wirksam, alltagstauglich. Nimm dir eine Woche und wähle drei Mikro-Situationen, in denen du sonst automatisch „ja“ sagst (z. B. „nur kurz gegenlesen“, „noch ein Meeting dazwischen“, „ad hoc Recherche“).
Übung 1: Rückmeldefenster.
Antworte nie sofort, sondern sichere dir grundsätzlich ein kleines Zeitfenster („Ich melde mich um 15 Uhr.“). Du trainierst damit die Mikro-Pause zwischen Reiz und Reaktion.
Übung 2: Ziel-Klärung.
Frage bei jeder neuen Bitte konsequent nach Ziel, Ergebnis und Termin.
Du wirst staunen, wie oft sich der Umfang halbiert.
Übung 3: Trade-off sichtbar machen.
Sprich den Preis aus: „Mit Übernahme verzögert sich X um zwei Tage. Ist das vertretbar?“ Menschen akzeptieren ein Nein eher, wenn sie den Zusammenhang sehen.
Übung 4: Alternative bieten.
Halte zwei Optionen parat: eine zeitliche („morgen 10:30, heute 80 % Entwurf“) und eine personelle („Lisa kann das schneller, ich briefe sie in 10 Minuten“).
Übung 5: Ein Satz, der sitzt.
Wähle einen Standardsatz und schreibe ihn wörtlich auf. Wiederhole ihn laut, bis er in Stressmomenten automatisch abrufbar ist.
Achte in dieser Woche bewusst auf Körpersprache und Stimme: ruhig, langsam, kurz. Keine Rechtfertigungsschleifen, kein Roman. Ein oder zwei Sätze reichen. Danach Stille aushalten. Wer nervös weiterredet, relativiert sein Nein. Und wenn dein Gegenüber nachlegt, bleib im Dreiklang: Ziel – Trade-off – Vorschlag. Beispiel: „Damit wir die Quartalsziele treffen: Wenn ich das jetzt übernehme, rutscht Feature X. Vorschlag: Ich skizziere heute, finalisiere morgen 11 Uhr.“ Das ist nicht defensiv, das ist Führung.
Typische Stolpersteine?
„Ich will nicht unkollegial wirken.“ Verstehlich – und falsch verknüpft. Kollegialität heißt, verlässliche Ergebnisse zu sichern, nicht überall dabei zu sein.
„Es ist doch nur kurz.“ Jeder Kontextwechsel kostet überproportional Fokus; fünf Minuten gibt es in der Realität selten.
„Mein Chef erwartet das.“ Chefs erwarten vor allem Transparenz und verlässliche Lieferungen. Wer Prioritäten aktiv macht, unterstützt Führung – er widerspricht ihr nicht.
Und falls du wirklich einmal „Nein“ ohne Alternative sagen musst? Sag’s kurz und aufrichtig: „Das mache ich heute nicht. Ich halte die Zusage an Kunde X ein.“ Punkt.
Zum Schluss die kleine Wochen-Reflexion:
Welche drei „Ja-Reflexe“ hast du entdeckt? In welcher Situation hat dir das Rückmeldefenster geholfen? Welcher Satz fühlte sich erst ungewohnt an und wurde mit Übung leichter? Schreib dir zwei Beobachtungen auf und markiere eine Sache, die du nächste Woche beibehältst. So wird aus Technik Haltung.
Fazit:
Nein sagen ist erlernbar. Mit Klarheit über Ziel und Preis, mit eingeübten Sätzen und mit kleinen, konsequenten Schritten. Du machst damit nichts kaputt – du schützt das, was zählt: Qualität, Fokus, Vertrauen. Ein gutes „Nein“ heute ist oft das „Ja“ zu einem besseren Ergebnis morgen.
Lass uns reden.
Wenn du dein persönliches „Nein“-Toolkit schärfen willst – für heikle Gespräche, Ad-hoc-Druck oder saubere Erwartungsklärung –
schauen wir gemeinsam drauf.
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